Brunsbrock – Dschungelatmosphäre am Gohbach: Die Pflanzen sind bald einen Meter höher als die Frau, die sich durch sie hindurch kämpft. Überall hängen große, exotische Blüten in allen Farbschattierungen von Blassrosa bis leuchtend Violett zwischen den dunkelgrünen Blättern. Hummeln, Bienen und Schmetterlinge fliegen um den Kopf von Susanne Zweibrück. Die Heilpflanzenexpertin ist heute mit der VAZ unterwegs, um ein besonderes Gewächs vorzustellen: Impatiens glandulifera.
Das Drüsige Springkraut kommt ursprünglich vom indischen Subkontinent. Es wurde als Zierpflanze im 19. Jahrhundert auch in Nordamerika und Europa eingebürgert. Es wächst mittlerweile auch wild – vor allem in feuchten Ufergebieten – in Deutschland. Auch am Gohbach bei Brunsbrock. Heutzutage wird es hierzulande oft als invasive Art bekämpft.
„Dass das Drüsige Springkraut ein Neophyt ist, also in unseren Breiten eigentlich nicht heimisch, ist kein Geheimnis“, sagt die Bendingbostelerin. „Aber man muss es nicht als böses Unkraut ansehen, das unbedingt entfernt werden muss.“ Zunächst will Zweibrück mit einem Missverständnis aufräumen: Auch wenn sie dafür wirbt, Unkraut lieber zu ernten statt zu bekämpfen, wie unlängst in einem Artikel über den Giersch, könne sie Gartenbesitzer verstehen, die verzweifelt den Kampf gegen manche ungewollte Pflanzen führen. „Knöterich ist da ein gutes Beispiel.“ Der Tiefwurzler sei nicht nur sehr schwer zu entfernen, er verdränge oftmals auch andere Pflanzen. „Bei den meisten Gewächsen rate ich aber dazu, sich erst einmal intensiver mit dem vermeintlichen Unkraut zu beschäftigen.“
Was das Springkraut angehe, habe sie mittlerweile eine große Sympathie für die Pflanze aus Fernost entwickelt. „Irgendwie ist es doch beeindruckend: Sie kommt von so weit her, sie ist ein ganz anderes Klima gewohnt. Und die Pflanze kann ja auch nichts dafür, dass sie hierher gebracht wurde. Aber schauen Sie.“ Sie zeigt auf die meterhohen Büsche am Gohbach. „Sie macht das Beste draus.“
Statt einer Bekämpfung schlägt sie eine „sanfte Ernte“ vor, die die Pflanze ein wenig in ihrer Ausbreitung hemmt, aber nicht ausrottet. „Denn man darf nicht vergessen, dass sie eine hervorragende Nahrungsquelle für Insekten ist.“ Aber warum ernten? Hat vielleicht auch das Springkraut Heilkräfte, die kaum jemand kennt? Zweibrück winkt ab. „Nein, die sind kaum erwähnenswert.“ Allerdings biete der Einwanderer vom indischen Subkontinent viele Verwendungsmöglichkeiten in der Küche. „Da sind zum einen die pinken Blüten interessant“, sagt Zweibrück. Diese könne man gehackt in Kräuterbutter rühren oder über den Salat streuen und das Gericht somit optisch aufwerten.
„Das Highlight ist aber, die Farbe der Blüten auszuziehen, um einen Sirup oder ein Gelee daraus zu machen.“ Dafür müsse man circa 100 Gramm gesammelte (nicht gewaschene) Blüten in einen Liter kochendes Wasser geben, einen Teelöffel Zitronensäure dazu. „Nach kurzer Zeit verfärbt sich das Wasser pink und die Blüten werden blass. Dann ist der richtige Moment, den Topf vom Herd zu nehmen.“ Aus dem pinken Wasser lasse sich nun hervorragend ein Gelee kochen oder ein Sirup mit beerigem Aroma und einer spektakulär pinken Farbe. „Wer nicht so gern Zucker isst, der kann auch mal versuchen, das Wasser zu Eiswürfeln einzufrieren. Das sieht bestimmt toll aus.“ Zweibrück zeigt eine Flasche mit fertigem Sirup: „Ist es nicht toll, dass man so etwas ohne künstliche Farbstoffe hinbekommt?“
Ernährungstechnisch interessanter seien aber eigentlich die Samen. Wie aufregend diese sind, zeigt Zweibrück direkt an einer Pflanze. Sie sucht sich an einer Blütendolde eine besonders pralle Samenkapsel aus. Leicht berührt sie diese mit ihren Fingerspitzen. „Huch! Ich erschrecke mich jedes Mal, obwohl ich ja weiß, was passiert.“ Die Kapsel ist geplatzt und die Samen sind meterweit durch die Gegend geflogen. „Jetzt versteht man auch, warum sich die Pflanze so ausbreiten kann.“ Klar ist: Gartenbesitzer, die versuchen, das Springkraut zu dieser Jahreszeit zu entfernen, regen damit die Aussamung sicher noch zusätzlich an – und können sich nächstes Jahr über umso mehr Pflanzen „freuen“.
Zweibrück zeigt einen Trick. Einfach eine Brottüte über die Dolde mit den Samenkapseln stülpen und dann kräftig schütteln. Die Samen ploppen von ganz alleine in die Tüte. „Probieren Sie mal. Die Samen haben ein feines, nussiges Aroma.“ Und wie Nüsse kann man sie auch verwenden. „Streuen Sie sie über den Salat, verwenden Sie sie zum Brotbacken, rösten Sie sie in der Pfanne, es gibt viele Möglichkeiten.“
Wer die schöne Pflanze mit den exotischen Blüten schneiden möchte, um sie daheim in die Vase zu stellen, wird keinen Erfolg haben, weiß Zweibrück. „Sie welkt schon auf dem Weg nach Hause.“
Noch ein Tipp: Wer Wildpflanzen sammeln möchte, sollte zu dieser Jahreszeit auf Zecken achten, lange Hosen tragen und sich hinterher gründlich absuchen, rät Zweibrück. Wie immer gilt, nur Pflanzen zu sammeln, die man zweifelsfrei identifizieren kann.
Wer unsicher ist:
Am 7. August bietet Zweibrück eine Wildkräuterwanderung am Müllerhaus und am 22. August eine Kräutertour per Rad. Da können die Teilnehmer Springkraut, Mädesüß und Co. kennenlernen. Anmeldung unter Telefon 04237/510 oder www.rundum-duefte.de.
Von Reike Raczkowski
August 02, 2020 at 11:06PM
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Schönes Springkraut breitet sich aus - kreiszeitung.de
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Sirup
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