Es wirkt eventuell ein wenig aufwendig, eine ganze Showstaffel nur für ein paar verjodelte Gesangszeilen auf und über die Bühne zu bringen, und diese Idee klingt natürlich auch wahnsinnig pathetisch, wird dadurch aber ja nicht weniger wahr: Womöglich also hat sich die zweite »The Masked Singer«-Staffel in diesem Jahr schon allein für ebendiesen Winzmoment gelohnt, in dem Veronica Ferres im Finale – in ihrem Bienenkostümkörper, aber ohne Kopfverhüllung –, hemmungslos schief und mit entwaffnender Euphorie ihren Solopart im eröffnenden Gemeinschaftslied sang. Komplett aufgegangen im Moment, komplett unbeeindruckt davon, was dabei klanglich so rauskam und wer das nun wie finden würde.
Falls einen das nicht packte, kriegte einen spätestens die Demaskierung von Alec Völkel, genauer gesagt der Moment, in dem der Boss-Hoss-Sänger gerade seinen Alienkopf mit den goldenen Kaffeefiltertütenohren abgelegt hatte und sich kurz umdrehte. Und man nochmal sah, dass dieses Mischwesen aus zwei eigentlich entgegengesetzten Emotionsprojektionen – dem kantigmännliche Promikern und der supersoften Maskenhülle – einen unfassbar rührenden, häschenmäßigen Stummelschwanz hatte.
Tiefe, echte Sympathien für die Tierchen
»The Masked Singer« war auch in seiner dritten Staffel reich an solchen kleinen Momenten, und das Format erinnerte einen obendrein an zwei Dinge, die man im mitunter reichlich tristen TV-Gaffalltag gelegentlich vergisst. Das erste: Man kann auch fernsehen, ohne dabei ständig überlegen zu müssen, welchen der Menschen, denen man gerade zusieht, man eigentlich am wenigsten nicht mag. Vielleicht waren es in den vergangenen Wochen ein paar Formate zu viel, in denen gespuckt und gegiftelt oder – das Gegenteil, aber auch nicht besser – für ein paar Insta-Follower mehr aufs schmierigste gegaukelt wurde.
Für die Tierchen bei »The Masked Singer« aber konnte man endlich mal wieder tiefe, echte Sympathien entwickeln. Womöglich ist das für das Konzept der Sendung eher kontraproduktiv, aber es fühlte sich im Finale darum tatsächlich fast nebensächlich an, welcher oder welche Prominente nun in den verbliebenen fünf Kostümen steckte, weil man die detailvernarrt modellierten Charaktere so gern gewonnen hatte, dass man sie eigentlich nicht aufgeben wollte. Lukas Cordalis und Daniela Katzenberger mögen ganz in Ordnung sein – aber wird man sie jemals so vorbehaltlos lieb haben können wie in ihrer Erdmänncheninkarnation?
Das zweite vergessene Ding: Man traut dieser Show Raffinesse zu, und es ist doch schön, dass man sich diese Bereitschaft grundsätzlich bewahrt hat, auch wenn man erst vor ein paar Tagen anderswo Cathy Hummels und Stefanie Hertel fünf Stunden dabei zusehen musste, wie sie zum Beispiel um die Wette Teig ausrollten. Ein Anwärter auf den Träger des Anubis-Kostüms, der in den vergangenen Wochen immer wieder genannt wurde, war so zum Beispiel Klaas Heufer-Umlauf. Ein Verdacht, der vermeintlich entkräftet wurde, als »The Masked Singer« in der vergangenen Woche ausnahmsweise am Montag ausgestrahlt wurde, also am Sendetag von »Late Night Berlin«. Obendrein interviewte Heufer-Umlauf in seiner Sendung dann auch den langnasigen Aggro-Totengott in einer Schalte ans »Masked Singer«-Set. Trotzdem aber blieb da ein Restverdacht, ob dieses vermeintliche Ausschlussindiz nun im Finale nicht doch noch als raffinöses Tricksterstück entlarvt werden würde.
Tatsächlich steckte im Kostüm dann der ebenfalls als plausibler Anwärter gehandelte Sänger Ben Blümel, besser bekannt nur unter seinem Vornamen, der vorher noch eine seiner Pop-Persona wunderbar fremde Darbietung von Rammsteins »Sonne« raunzte. Das war keine Enttäuschung, es reichte schon, dass man die aufwendigere Doppelter-Boden-Lösung für durchaus möglich gehalten hatte.
Am Ende siegte mit dem Skelett die beste Sängerin der Staffel, Sarah Lombardi, also quasi der Gegenentwurf zur quietschvergnügten Ferresbiene. Eigentlich unterläuft das die Idee, dass »The Masked Singer« eben kein Gesangswettbewerb, sondern eine Verrückte-Viecher-Show ist, aber der Sieg geht trotzdem in Ordnung (auch wenn zum Beispiel das Ballett-Nilpferd im rosa Tutu, bespielt vom Koch Nelson Müller, die schönere Botschaft verkörperte). Denn für Lombardi dürften ihre (unerkannten, wenn auch erahnten) Auftritte im Kostüm seit langer Zeit womöglich die ersten Momente gewesen sein, in denen nur ihr Gesang gehört und sie eben nur als Sängerin gesehen wurde – ganz ohne Alessio-geht-es-gut-Meme und über alles gelegten Klatschgeschichten-Filter.
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